Gestaltungskriterien und hydraulische Bemessungsgrundlagen für Streichwehre
Aus BAWiki
Einleitung
Geschichtlicher Hintergrund
Streichwehre werden bereits seit dem Mittelalter genutzt, um Gewässer aufzustauen und die daraus resultierende Fallhöhe beispielsweise zum Betrieb einer Mühle zu nutzen. Nach Lüger (1910) hat die längere Krone beim vollkommenen Überfall eine geringere Überfallhöhe zur Folge, woraus sich zwei Vorteile ergeben: Die hydraulische Belastung auf den Wehrrücken ist geringer und die Schwankungen des Oberwasserspiegels kleiner, wenn der Ableitungskanal nicht mehr die ganze Abflussmenge aufnehmen kann oder darf, um z.B. Ausuferungen zu vermeiden. Im 19. Jahrhundert wurden die Wasserräder durch leistungsfähigere Turbinen ersetzt. Die ersten beweglichen Stahlverschlüsse erlaubten größere Stauhöhen und gleichzeitig eine vollständige Freigabe des Abflussquerschnittes bei Hochwasser. Zum Vergleich beweglicher und fester Wehre stellte bereits Aichel (1910) fest: „Die beweglichen Wehre erfordern indessen eine ständige Überwachung, verursachen oft hohe Bau- und Ausbesserungskosten und sind nicht besonders widerstandsfähig. Ist daher eine so sorgfältige Regelung des Oberwassers nicht nötig und sprechen nicht andere gewichtige Gründe dagegen, so wird man zur Anlage eines durchweg festen Wehres schreiten, bei dem ein übermäßiger Stau bei Abgang des Hochwassers dadurch vermieden wird, dass man eine größere für den Abfluss des Wassers wirksame Länge wählt. Man erzielt diese Vermehrung der Wehrlänge durch Wahl eines entsprechenden Grundrisses“. In Deutschland gibt es zahlreiche Streichwehre, die ihre Aufgabe bis heute erfüllen. Bild 1 zeigt beispielhaft das aus dem 11. Jahrhundert stammende obere Streichwehr in Wetzlar an der Lahn. Geographisch befindet sich das Streichwehr westlich von Gießen bei Lahn-km 11,500. Das sogenannte Hausertorwehr wurde in einem flachen Winkel von etwa 25° zur Hauptströmungsrichtung angeordnet und besitzt eine Gesamtlänge von 290 m. Der Wehrkörper besteht aus einer Steinschüttung, zwei Holzpfahlreihen, die zur Stabilisierung der Wehrkrone und als Fußsicherung dienen, sowie einem Deckwerk aus gepflasterten Steinen. Der Querschnitt weist im Oberwasser eine Böschungsneigung von etwa 1:2 und im Unterwasser eine Neigung von etwa 1:4 auf.
Bild 1: Hausertorwehr in Wetzlar an der Lahn (Bj. 1050): Draufsicht (links) und Querschnitt (rechts) des Streichwehrs (Quelle: WSA Koblenz, Grunddaten zur Wehranlage oberes Wehr Wetzlar)
Definition
Streichwehre stellen neben Schachtüberfällen und Heberwehren eine Sonderform der festen Wehre dar und werden unter anderem als Entnahme- oder Entlastungsbauwerke oder zur Hochwasserentlastung eingesetzt. In der Regel ist die Überfallkante parallel oder nahezu parallel zur Hauptströmungsrichtung in der Gerinneberandung angeordnet, über die ein Teil des Gesamtzuflusses abgeschlagen wird (siehe Bilder in Tabelle 1). In der Literatur wird zwischen geraden und schiefen Streichwehren unterschieden: Bei den geraden Streichwehren ist die Breite des Gewässers vor und unmittelbar nach dem Streichwehr konstant, bei den schiefen Streichwehren nimmt die Breite in Fließrichtung ab (Schmidt, 1954). In der Praxis ist das oft schwer zu unterscheiden. Bild 2 zeigt Beispiele für ein gerades und für ein schiefes Streichwehr. Naudascher (1987) bezeichnet den Sonderfall, dass der Gesamtzufluss über das Streichwehr abgeführt wird, als paralleles Wehr und würde übertragen auf eine Wasserstraße einem Streichwehr mit anschließender Schleuse entsprechen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird aber im Folgenden auf diesen Begriff verzichtet.
Tabelle 1: Definitionen zur Lage eines Streichwehres
Gerades Streichwehr | Schiefes Streichwehr |
---|---|
Parallele Anströmung | Schräge Anströmung |
Q = Qo - Qu | Q = Qo - Qu |
α = 0° | 0° < α < 90° |
Bild 2: Beispiele für ein gerades Streichwehr (links: Kleines Wehr Böllberg an der Saale) und für ein schiefes Streichwehr (rechts: Villmar an der Lahn)
Anordnung im Gewässer und konstruktiver Aufbau
An den staugeregelten Flüssen in Deutschland gibt es zahlreiche Streichwehre, die sich in Lage, Querschnitt und Aufbau unterscheiden. Bild 3 (links) zeigt beispielsweise das 210 m lange und nahezu parallel zur Fließrichtung angeordnete Streichwehr in Würzburg. Der Wehrrücken besteht in wesentlichen Teilen aus einer Mauer aus Stahlbeton und Steinen sowie einer Steinschüttung aus Wasserbausteinen im Unterwasser, die als Kolkschutz dient. Das Streichwehr in Weilburg (Bild 3, Mitte) besteht im Bereich der Wehrkrone aus geklammerten Kronensteinen und einem Wehrrücken aus Bruchsteinen, während das Streichwehr in Gochsen (Bild 3, rechts) einen Wehrrücken aus Stahlbeton besitzt.
Bild 3: Streichwehre in Würzburg am Main (links), Weilburg an der Lahn (Mitte) und Gochsen am Kocher (rechts)
Staustufentypen
Nach DIN 19700 zählen Staustufen neben Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken zu den Stauanlagen und bestehen aus einem Wehr mit Stauhaltungsdämmen, Kraftwerk, Schiffsschleuse und der Stauhaltung selbst. Zur besseren Verständlichkeit bei der Diskussion über Standortkriterien für Streichwehre ist es hilfreich, zwischen einachsigen und mehrachsigen Staustufen zu unterscheiden.
Bild 4: Systemskizzen einer einachsigen (links) und einer mehrachsigen (rechts) Staustufe
Einachsig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Wehr, Schleuse und Kraftwerk in einer Achse angeordnet sind, baulich aneinander angrenzen und sich in einem Flussarm befinden (Bild 4, links), während bei einer mehrachsigen Staustufe das Kraftwerk oder die Schleuse räumlich vom Wehr abgesetzt ist. Bei mehrachsigen Anlagen ist häufig die sogenannte Schlingenlösung zu finden, bei der der Schifffahrtsweg abwechselnd im alten Gewässerbett und in einem Kanal verläuft, der die Schlinge durchsticht (Bild 4, rechts). Die Schleuse befindet sich dann im Durchstich, während das Kraftwerk neben der Schleuse oder dem Wehr angeordnet ist. In der Praxis finden sich auch Mischformen oder Kombinationen von ein- und mehrachsigen Staustufen, die aber eher die Ausnahme bilden.
Analyse bestehender Anlagen
Obwohl Streichwehre mit zu den ältesten Wehrtypen zählen, wurden in den vergangenen Jahren sehr wenige Anlagen gebaut. Daher finden sich in der einschlägigen Literatur entsprechend wenige Empfehlungen zur Anordnung und zur Querschnittsgestaltung. Aus diesem Grund wurde eine Bestandsaufnahme vorhandener Anlagen durchgeführt. Im Zustän-digkeitsbereich der Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter (WSÄ) Koblenz, Magdeburg, Hannoversch Münden und Schweinfurt gibt es annähernd 50 Streichwehre, die eine gute Basis für eine Analyse von Streichwehren in Querschnitt, Lage und Aufbau darstellen.
Mit Hilfe von Bestandsplänen und technischen Kenndaten wurden die Fallhöhe, der Anströmwinkel sowie die Böschungsneigungen im Ober- und Unterwasser ausgewertet. Hier zeigte sich, dass die Streichwehre eine mittlere Fallhöhe von etwa 2,0 m aufweisen. Das Streichwehr mit der größten Fallhöhe von etwa 3,6 m befindet sich in Alsleben an der Saale. Die mittlere Böschungsneigung im Oberwasser beträgt etwa 1:2,5 und im Unterwasser 1:4,0. Häufig befindet sich am Ende des Wehrrückens eine negative Stufe von etwa 0,5 m.
Anordnung im Gewässer
Im Hinblick auf die Anordnung eines Streichwehres im Gewässer wurden neben Lageplänen auch Luftbilder analysiert. Hier zeigt sich, dass der Anströmwinkel α im Mittel etwa 30° beträgt, die Lage und damit die Überfalllänge aber wesentlich von den örtlichen Gegebenheiten bestimmt wird.
Bild 5: Streichwehre in Böllberg an der Saale (links) und Meuschauer Wehr an der Saale (rechts)
Geraade Streichwehre mit einem Anströmwinkel von α = 0° sind huptsächlich bei räumlich begrenzten Fließgewässern und vorwiegend bei Schlingenlösungen (mehrachsigen Staustufen) zu finden. Bild 5 zeigt jeweils einen Standort an der Saale. Beide Streichwehre dienen als Entlastung in den Gewässeraltarm und liegen parallel zur Hauptströmungsrichtung. Während das Meuschauer Wehr im Verlauf der Uferlinie liegt, ist das Streichwehr in Böllberg etwas zurückversetzt, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass sich das Wehr noch im schiffbaren Gewässerabschnitt befindet. Die Strömung im Oberwasser erfährt durch ein Streichwehr eine Umlenkung, woraus eine Querströmung in der Fahrrinne resultiert, die die Navigation vorbei fahrender Schiffe erschweren kann. Durch das zurückversetzte Streichwehr und die damit veränderte Uferführung werden der Abstand zur Fahrrinne vergrößert und Querströmungen verringert. Modelluntersuchungen der Forschungsanstalt für Schifffahrt, Wasser- und Grundbau (1963) zeigen, dass die Senkungslinie eines geraden Streichwehres bis zur Gewässermitte reichen kann, wenn das Streichwehr im Verlauf der Uferlinie angeordnet ist. Schiefe Streichwehre mit einem Anströmwinkel 0° < α < 90° sind häufig an mehrachsigen Staustufen zu finden, wobei die Linienführung im Gewässer maßgeblich von der Lage des Kraftwerkes und der Schleuse abhängt. Im Folgenden werden einige Hinweise zur Anordnung eines Streichwehres gegeben, die bei der Streichwehranalyse als wesentlich angesehen wurden.
Allgemeine Hinweise zur Anordnung
Befindet sich am betrachteten Standort ein Wasserkraftwerk, so wird das Streichwehr in der Regel zum Kraftwerk hin angeordnet (Bild 6, links). Das unterstromige Ende des Streichwehres grenzt dabei an den Zulaufbereich der Turbinen an, sodass die Strömung kontinuierlich beschleunigt und eine gute Anströmung erzielt wird.
Es gibt wenige Beispiele, bei denen das Streichwehr umgekehrt angeordnet ist, wie bei-spielsweise in Fürfurt an der Lahn (Bild 6, rechts. Hier befindet sich der Turbineneinlauf ufer-parallel und das Streichwehr verläuft in Richtung des Schifffahrtskanals, vermutlich weil die Staustufe schrittweise ausgebaut wurde. Dabei fällt auf, dass das unterstromige Ende des Streichwehres nicht direkt, sondern stromab vom Molenkopf abgesetzt ist. Möglicherweise werden mit dieser Anordnung Querströmungen vermie-den und die Einfahrtsbedingungen in den Schifffahrtskanal verbessert.
Befinden sich Kraftwerk und Schleuse nebeneinander, z.B. beim Durchstich einer Schlingenlösung, so ist das Streichwehr ebenfalls zur Schleuse bzw. zum Kraftwerk hin angeordnet.
Bild 6: Streichwehr Guxhagen an der Fulda (links) und Streichwehr Fürfurt an der Lahn (rechts)
Überlegungen zur Anordnung eines Streichwehres beim Ersatzneubau
Streichwehre bei einachsigen Staustufen
Ein Streichwehr kann einachsig ausgebildet werden, wie beispielsweise bei der Mainstaustufe Würzburg, bei der das Streichwehr nahezu parallel zur Hauptströmungsrichtung angeordnet ist und die Schleuse mit dem Klappenwehr und dem Kraftwerk verbindet. Wenn ein bestehendes, senkrecht angeströmtes Wehr in einer einachsigen Staustufe durch ein Streichwehr ersetzt wird, ergeben sich geometrische Zwangspunkte durch die Lage von Kraftwerk und Schleuse bzw. die dazwischen liegenden Trennmolen.
Bild 7: Hydraulisch günstige Anordnung (links) und hydraulisch ungünstigere Anordnung (rechts) eines Streichwehres an einer einachsigen Anlage
Unter diesen Randbedingungen sind grundsätzlich zwei Anordnungen denkbar, die in Bild 7 dargestellt sind. Bild 7 (links) zeigt eine hydraulisch günstige Anordnung für ein Streichwehr bei einem Ersatzneubau. Bei Abflüssen bis zur Ausbauwassermenge des Kraftwerkes wird die Strömung kontinuierlich beschleunigt und eine gute Anströmung im Einlaufbereich der Turbinen erzielt. Bild 7 (rechts) hingegen zeigt eine für das Kraftwerk hydraulisch ungünstigere Anordnung. Vorteile hat diese Linienführung nur, wenn es um die Auffindbarkeit einer am Kraftwerk angeordneten Fischaufstiegsanlage geht. Bei beiden Anordnungsmöglichkeiten ist zu berücksichtigen, dass sich die Beanspruchung der Trennmole im oberen und unteren Vorhafen erheblich ändert (einseitig wirkender Wasserdruck) und umfangreiche bauliche Anpassungen zur Folge haben können.
Streichwehre bei mehrachsigen Staustufen
Wenn bei einer mehrachsigen Staustufe (Schlingenlösung) keine Wasserkraftnutzung stattfindet, ist eine Anordnung des Streichwehres am Einlauf in den Altarm naheliegend. Findet zudem auf der Wasserstraße keine Schifffahrt mehr statt, kann das Streichwehr im Verlauf der Uferlinie angeordnet werden (Bild 8, links). Bei Aufrechterhaltung der Schifffahrt ist eine abgesetzte Linienführung mit einer Trennmole zwischen Altarm und Einfahrt in den Schleusenkanal (nicht dargestellt) zu empfehlen. Hierfür sind ggf. fahrdynamische Untersuchungen erforderlich. Alternativ dazu kann das Streichwehr natürlich auch im Bereich der bestehenden Wehranlage angeordnet werden, wenn beispielsweise vorhandene Zufahrtswege für die Unterhaltung weiter genutzt werden sollen (Bild 8, Mitte).
Bild 8: Streichwehr im Verlauf der Uferlinie (links), Streichwehr im Bereich der bestehenden Wehanlage (Mitte), Staustufe mit Wasserkraftwerk (rechts)
Wenn sich im Altarm ein Wasserkraftwerk befindet, so bieten sich zur Anordnung des Streichwehres mehrere Möglichkeiten an: Soll die Wasserkraftnutzung am Standort erhalten werden, sollte das Streichwehr als schiefes Streichwehr an die vorhandene Wasserkraftanlage anschließen. Bild 8 (rechts) zeigt eine Variante, bei der das Streichwehr zur Wasserkraftanlage hin angeordnet ist. Die Länge und der sich daraus ergebende Anströmwinkel sind abhängig von den örtlichen Randbedingungen. Falls die Wasser-kraftanlage aufgegeben wird, kann das Streichwehr als gerades Streichwehr am Einlauf in den Altarm vorgesehen werden (Bild 8, links).
Konstruktive Gestaltung
Querschnitte
Die Analyse bestehender Streichwehre zeigt, dass in der Vergangenheit unterschiedliche Querschnitte realisiert wurden, bei denen im Prinzip zwischen fünf Geometrien unterschieden werden kann. Unter den aufgeführten Querschnitten ist am häufigsten der dachförmige Querschnitt zu finden.
Mögliche Querschnittsformen eines Streichwehres Der dachförmige Querschnitt besitzt sowohl eine Böschung zum Ober- als auch zum Unterwasser hin, wobei die Unterwasserseite im Allgemeinen flacher geneigt ist. Diese Geometrie ist naheliegend und war vermutlich einfach herzustellen. Der gemischtförmige Querschnitt weist im Oberwasser eine ausgerundete und im Unterwasser eine konstant geneigte Böschung auf. Diese Geometrie ist hydraulisch günstiger, aber auch aufwändiger herzustellen. Der breitkronige Querschnitt besitzt eine sehr große Kronenbreite mit geneigten Böschungen im Ober- und Unterwasser. Über den Grund der breiten Krone kann nur spekuliert werden. Eine Nutzung als Furt bzw. die Unterhaltung des Streichwehres könnten aber bei der Gestaltung eine Rolle gespielt haben. Der ausgerundete Querschnitt ergibt sich aus zwei unterschiedlichen Ausrundungsradien für die Wehrkrone und den anschließenden Wehrrücken. Dieser Querschnitt ist hydraulisch noch günstiger als Querschnitt 2. Der abgestufte Querschnitt besteht auf dem Wehrrücken aus mehreren senkrechten Abstürzen. Ein Teil der Energiedissipation findet damit am Fuß des freien Überfalls auf einem befestigten Abschnitt im Wehrquerschnitt statt. |
Bild 9: Querschnitte von Streichwehren (Quelle: WSA Koblenz) |
Deckwerkstypen
Bei historischen Streichwehren mit dachförmigem Querschnitt sind die Neigungen im Ober- und Unterwasser meist ungleich und weisen eine mittlere Böschungsneigung von 1:2,5 bzw. 1:4,0 auf. Die Wehrkrone besteht oft aus geklammerten Kronensteinen und die Böschung aus einem gesetzten Steindeckwerk, das von Holzpfahlreihen im Ober- und Unterwasser abgeschlossen wird. Im Anschluss an den Fußpunkt des Streichwehres im Unterwasser befindet sich in der Regel eine Steinschüttung, die der Kolksicherung dient. Eine weitere Holzpfahlreihe dient der Gründung der Wehrkrone (Bild 10).
Bild 10: Dachförmiger Querschnitt mit gesetztem Steindeckwerk
Bei Steindeckwerken kommt es vor, dass bei Hochwasserereignissen Steine aus dem Deckwerk gelöst und mit der Strömung ins Unterwasser transportiert werden. Aufgrund des geringen Aufwands und der geringen Kosten wurden in der Folge immer mehr Deckwerke bei Streichwehren durch Betonoberflächen ersetzt (Bild 11). Aufbauend auf dem Bestand wurde dabei in Ortbetonbauweise eine Stahlbetonplatte hergestellt, die sich aber oft nicht über den gesamten Querschnitt erstreckt, wenn sie nur zur Ausbesserung dient. Im Vergleich zum teilweise durchlässigen Deckwerk kann sich unter der Betonoberfläche ein Sohlwasserdruck aufbauen, sodass eine Spundwandabdichtung im Oberwasser erforderlich wird, um ein Auftreiben der Platte zu vermeiden. Um die Fußpunktsicherung zu erneuern und rückschreitende Erosion zu verhindern, wurde teilweise eine zweite kürzere Spundwand am unterwasserseitigen Ende vorgesehen.
Bild 11: Dachförmiger Querschnitt mit Betonoberfläche
Hydraulische Berechnung
Formeln zur Berechnung der hydraulischen Leistungsfähigkeit
Zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit von Streichwehren sind in der Literatur mehrere Berechnungsansätze zu finden, die meist auf der Poleni-Gleichung basieren. Unterschiede ergeben sich u.a. bei der Verwendung der maßgebenden Überfallhöhe: Schmidt (1954) verwendet hier eine mittlere Überfallhöhe und einen Abminderungsfaktor, der die parallele Anströmung berücksichtigt. Hager (1987) berücksichtigt zusätzlich die Anströmgeschwindigkeit, eine Querschnittsverengung und eine Sohlneigungsänderung, soweit vorhanden, und implizit den Rückstaueinfluss. Daraus ergibt sich allerdings eine sehr komplexe Abflussformel. Zur Vollständigkeit seien noch die Untersuchungen von Aichel (1910), basierend auf der Überfallformel von Du Buat, und aus jüngerer Zeit die von May (2003) zu nennen, der beispielsweise die Froude-Zahl hinter dem Streichwehr berücksichtigt. Für die typischen Anwendungsfälle ist die Überfallformel nach Poleni aber am praktikabelsten, wenn diese zusätzlich um einen Abminderungskoeffizient σuv erweitert wird, der den Rückstaueinfluss berücksichtigt. Diese einschlägig bekannte Form zur Berechnung des unvollkommenen Überfalls wird in den meisten Lehrbüchern verwendet und geht auf Schmidt (1957) zurück. Ganz allgemein ist bei der Verwendung von anderen als in dieser BAWEmpfehlung aufgeführten Überfallbeiwerten sehr sorgfältig darauf zu achten, welche Überfallformel dabei zugrunde liegen. Unter der Voraussetzung dieser Kenntnis können die Überfallbeiwerte aber ggf. ineinander überführt werden.
Erweiterte Poleni-Formel |
---|
mit
- Q : Abfluss [m³/s]
- μ : Überfallbeiwert [-]
- σuv : Abminderungskoeffizient [-]
- B : lichte Weite [m]
- g : Erdbeschleunigung [m/s²]
- h1 : Überfallhöhe [m]
Einfluss der Querschnittsform
Um den Einfluss der Geometrie auf die hydraulische Leistungsfähigkeit eines Streichwehres zu zeigen, wurden in Voruntersuchungen zwei Querschnitte betrachtet. Ausgehend von dem in Formeln zur Berechnung der hydraulischen Leistungsfähigkeit beschriebenen dachförmigen Querschnitt wurde hierbei auf die oberwasserseitige Böschung verzichtet und die vordere Anströmkante scharfkantig ausgeführt, so dass ein dreieckförmiger Querschnitt entsteht (Tabelle 2).
Im Folgenden werden der dachförmige und der dreieckförmige Querschnitt im Hinblick auf die Überströmungscharakteristik und die hydraulische Leistungsfähigkeit gegenübergestellt. Beide Varianten haben eine Höhe von w = 2,5 m, eine 0,5 m breite horizontale Wehrkrone und eine negative Stufe am Ende des Wehrrückens zur Stabilisierung des Wechselsprungs.
Mit Hilfe numerischer Berechnungen (OpenFOAM) wurden insgesamt sechs Abflüsse betrachtet. Der Unterwasserstand wurde dabei so gewählt, dass stets vollkommener Überfall vorlag. Die 2,0 m breiten Ausschnittsmodelle wurden dabei senkrecht (α = 90°) angeströmt. Die Überfallhöhe h1 wurde etwa 18 m oberhalb des oberwasserseitigen Wehrfußes ermittelt und daraus der Überfallbeiwert μ unter Verwendung der Poleni-Formel bestimmt. Die Ergebnisse sind in Bild 12 dargestellt.
Tabelle 2: Untersuchte Streichwehrgeometrien
Variante | Neigung OW | Neigung UW | Darstellung |
---|---|---|---|
Dachförmiger Querschnitt | 1:2,5 | 1:4,0 | |
Dreieckförmiger Querschnitt | senkrecht, scharfkantig | 1:4,0 |
Im Vergleich zeigt sich, dass die Überfallhöhen bei allen untersuchten spezifischen Abflüssen (q = Q/B) beim dachförmigen Querschnitt zwischen 0,03 m und 0,20 m (3 bis 7 %) unter denen des dreieckförmigen Querschnitts liegen. Dementsprechend ist die hydraulische Leistungsfähigkeit des dachförmigen Querschnitts im Mittel um 8 % höher. Berechnet man mit Hilfe der Überfallformel nach Poleni den Überfallbeiwert μ, so ergeben sich für beide Querschnitte Überfallbeiwerte im Bereich 0,60 < μ < 0,83, die mit steigender Überfallhöhe zunehmen.
Der Verzicht auf die oberwasserseitige Böschung und die Auswirkungen auf die Strömungsgeschwindigkeit sind sehr anschaulich in den nachfolgenden Grafiken zu erkennen. Sie zeigen die Geschwindigkeitsverteilungen für spezifische Abflüsse von 2 und 15 m³/(sm). Dabei ist deutlich zu erkennen, dass sich beim dreieckförmigen Querschnitt an der vorderen Anströmkante die Strömung ablöst und die daraus resultierende Ablösezone mit steigendem Abfluss größer wird. Die Strömungsablösung bedeutet einen örtlichen hydraulischen Verlust, der sich in dem geringeren Überfallbeiwert bemerkbar macht. Neben der geringeren Abflussleistung bedeuten die hochturbulenten Verwirbelungen im Bereich der Strömungsablösung aber auch eine zusätzliche hydraulische Belastung für den Wehrrücken, die grundsätzlich vermieden werden sollte.
q = 2 m3/(sm) | ||
q = 15 m3/(sm) | ||
Bild 13: Geschwindigkeitsverteilung am dachförmigen und dreieckförmigen Streichwehr
EInfluss des Anströmwinkels
Auf Basis der numerischen Voruntersuchungen wurden im Labor der BAW mit einer einfachen Geometrie Modelluntersuchungen durchgeführt, zunächst mit dem Ziel, den Einfluss des Anströmwinkels auf die hydraulische Leistungsfähigkeit zu ermitteln. Im zweiten Schritt wurde der eingangs beschriebene dachförmige Querschnitt eingebaut, zuerst mit glatter und dann mit rauer Oberfläche. Für die Untersuchungen stand dabei eine Versuchsrinne mit einer Nutzlänge von etwa 20,0 m und einer Breite von 4,0 m zur Verfügung (Bild 14). Das Streichwehr hatte eine Höhe von etwa 0,20 m.
Betrachtet wurden insgesamt 13 Unterwasserstände bis 0,44 m (y2/w = 2,15), die mit acht Durchflüssen zwischen 25 und 350 l/s kombiniert wurden, sodass sich am Ende etwa 100 Zustände pro untersuchter Geometrie ergaben.
Bild 14: Übersichtsplan der Versuchsrinne mit Messpegeln und eingebauten Streichwehrvarianten
Der Querschnitt des Modells bestand dabei aus einem schmalkronigen Streichwehr mit einer Wanddicke von d = 2,5 cm und einer ausgerundeten Wehrkrone mit r = 1,25 cm. Der Schnittpunkt von Wehrachse und Gerinneachse befand sich dabei ungefähr 12,0 m unterstrom des Einlaufs. Untersucht wurden Streichwehre mit einer Neigung von α = 20°, α = 30°, α = 50°, α = 70° und α = 90° (Bild 14).
Bild 15: Schmalkroniges Streichwehr im Labormodell und Definitionsskizze (links) sowie Überfallbeiwert µ bei vollkommenem Überfall in Abhängigkeit vom Anströmwinkel (rechts)
Die Untersuchungsergebnisse für den vollkommenen Überfall zeigen, dass der Überfallbeiwert mit steigender Überfallhöhe h1 zunimmt, der Einfluss des Anströmwinkels aber so klein ist, dass er bei der hydraulischen Bemessung vernachlässigt und die volle Überfalllänge L angesetzt werden kann (Bild 15).
Steigt der Unterwasserstand an, so kommt es allmählich zu einer Beeinflussung des Oberwasserstandes. Der Abfluss über das Wehr ist rückstaubeeinflusst und man spricht vom unvollkommenen Überfall. Bild 16 zeigt für die untersuchten Anströmgeschwindigkeiten am schmalkronigen Wehr den Einfluss des Rückstaus auf die Überfallhöhe im Modellmaßstab. Die Messwerte können sehr gut mit einer Regressionskurve beschrieben werden und zeigen nur eine geringe Streuung. Die Überfallhöhe h1 ist weitgehend unabhängig vom Anströmwinkel.
Bild 16: Darstellung der Überfallhöhe h1 in Abhängigkeit vom spezifischen Abfluss q für das schmalkronige Streichwehr bei unterschiedlichen Anströmwinkeln und Unterwasserständen
Zur Bestimmung des Rückstaueinflusses führte Schmidt (1957) einen Abminderungskoeffizient σuv ein, welcher in der Poleni-Formel berücksichtigt werden kann (siehe Formeln zur Berechnung der hydraulischen Leistungsfähigkeit).
Bild 17 zeigt eine dimensionslose Darstellung des Rückstaueinflusses beim schmalkronigen Streichwehr, dem die Abminderungskoeffizienten σuv für das scharfkantige und das breitkronige Wehr gegenübergestellt sind. Dabei ist im Vergleich zum breitkronigen Wehr ein deutlich früher einsetzender Rückstaueinfluss festzustellen, vergleichbar mit dem des senkrecht angeströmten scharfkantigen Wehres. Es zeigt sich weiterhin, dass mit zunehmendem Anströmwinkel tendenziell ein späterer Rückstaueinfluss zu beobachten ist. Obwohl die Streuung in Bild 16 gering ist, ergibt sich bei der Überführung des Rückstaueinflusses in eine dimensionslose Darstellung (Bild 17) ein vergleichsweise großer Streuungsbereich für die untersuchten Anströmwinkel. Abweichungen in der Überfallhöhe von weniger als ±1 mm wirken sich hier relativ stark auf den Abminderungskoeffizient σuv aus. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Berechnung von σuv iterativ erfolgt: Unter Berücksichtigung der Streuung ergibt sich für den Oberwasserstand h1 bei gegebenem Abfluss Q eine Genauigkeit von ±3 %. Umgekehrt ergibt sich für den Abfluss Q bei gegebener Überfallhöhe h1 eine Genauigkeit von ±5 %.
Einfluss der Rauheit bei vollkommenem Überfall
Zur Bestimmung des Überfallbeiwertes für den vollkommenen Überfall wurde aus den in Einfluss der Rauheit genannten Gründen ein dachförmiger Querschnitt mit einer Wehrhöhe von w = 20,5 cm gewählt, der zum Oberwasser hin eine Neigung von 1:2,5 und zum Unterwasser hin eine Neigung von 1:4,0 aufweist (Bild 18, links). Die horizontale Wehrkrone hatte eine Breite von 8 cm. Am unterwasserseitigen Böschungsfuß befindet sich eine negative Stufe mit einer Höhe von 4 cm. Das Streichwehr hatte einen mittleren Anströmwinkel von α = 30°.
Bild 18: Dachförmiges Streichwehr mit glatter (links oben) und rauer (rechts oben) Oberfläche im Labormodell sowie Definitionsskizze (unten)
Eine Möglichkeit ein Streichwehr herzustellen, wird vom NBA Hannover skizziert (Konstruktive Gestaltung und Herstellung). Dabei wird der Querschnitt als Schüttdamm aus Wasserbausteinen der Größenklasse CP 90/250 hergestellt. Um den Einfluss der Rauheit auf dem Wehrrücken zu beurteilen, wurde im Modell ein Kies mit einer Körnung von 8 bis 16 mm aufgebracht (Bild 18, rechts). Diese Körnung wurde unter der Annahme eines Modellmaßstabes von etwa 1:12 ermittelt.
In Bild 19 sind die über die Überfallformel nach Poleni ermittelten Überfallbeiwerte für das Streichwehr mit glatter und mit rauer Oberfläche gegenübergestellt.
Dabei ist zu erkennen, dass der Überfallbeiwert mit steigender Überfallhöhe zunimmt und sich einem Wert von µ = 0,6 annähert. Der Überfallbeiwert für das geschüttete Streichwehr liegt dabei im Mittel um 8 % unter dem Streichwehr mit glatter Oberfläche. Der Einfluss der Reibung ist aber vergleichsweise gering, nimmt mit zunehmender Überfallhöhe ab und der Formwiderstand dominiert.
Einfluss des Rückstaus
Bild 20 zeigt eine dimensionslose Darstellung des Rückstaueinflusses für ein Streichwehr mit dachförmigem Querschnitt analog der Darstellung von Schmidt (1957). Dabei ist zu erkennen, dass der Abminderungskoeffizient σuv ab h2/h1 > 0,78 abnimmt und folglich zu einer Verringerung der hydraulischen Leistungsfähigkeit führt. Mit Hilfe einer zweiparametrigen Regressionsfunktion lassen sich die Messwerte beider Modelle wie folgt beschreiben.
Regressionsfunktion |
---|
Hierbei entspricht Sm dem Grenzeinstau, der angibt, ab welchem Verhältnis von Unter- zu Oberwasserstand h2/h1 eine Leistungsfähigkeitsminderung von mehr als 1 % zu beobachten ist. Der Parameter α dient als zusätzlicher Koeffizient zur Kurvenanpassung. Im Vergleich zu anderen Wehrtypen ist zu erkennen, dass sich ein Streichwehr mit dachförmigem Querschnitt im Hinblick auf den Rückstaueinfluss wie ein breitkroniges Wehr verhält und weniger stark auf den Unterwasserstand reagiert. Bei scharfkantigen Wehren hingegen macht sich der Rückstaueinfluss deutlich früher bemerkbar.
Bild 20: Dimensionslose Darstellung des Rückstaueinflusses für den dachförmigen Querschnitt mit glatter und rauer Oberfläche (oben) sowie der angepassten Regressionsfunktion (unten) im Vergleich zum breitkronigen und scharfkantigen Wehr nach Schmidt (1957)
Anforderungen und Erfahrungen bei Unterhaltung und Instandsetzung
Wie für alle Bauwerke ist es auch für Streichwehre notwendig, regelmäßig Inspektionen durchzuführen. Im Allgemeinen beinhaltet die Bauwerksinspektion die Bauwerksprüfung, Bauwerksüberwachung und Besichtigung aller Bauwerke und wird für die WSV in der Verwaltungsvorschrift VV WSV 2101 geregelt. Gemäß Anlage A2 der VV WSV 2101 ist für das feste Wehr mit geringer Fallhöhe wegen des geringen Gefährdungspotentials und der Lastbeanspruchung nur die Kategorie B (Bauwerksbesichtigung) festgelegt. Der Aufwand hierfür ist deutlich geringer als für die Kategorie A (Bauwerksprüfung, Bauwerksüberwachung, Bauwerksbesichtigung). Im Allgemeinen sind Streichwehre im Vergleich zu beweglichen Wehren äußerst unterhaltungsarm, da keine beweglichen Teile vorhanden sind, dadurch Korrosionsschutz- und Wartungsarbeiten an Verschlüssen, Lagern und Antrieben und ein großer Teil der technischen Ausstattung, u.a. Stromversorgung, Betriebsgebäude oder Einrichtungen zur Fernsteuerung, entfallen.
Die Erfahrungen des Außenbezirks (ABz) Marktbreit vom WSA Schweinfurt mit dem Streichwehr in Würzburg zeigen beispielsweise, dass das Deckwerk bzw. der Kolkschutz regelmäßig nach Hochwasserereignissen „repariert“ und Steine, die sich gelöst und ins Unterwasser transportiert wurden, wieder zurückgezogen werden müssen. Dies wird in der Regel mit schwimmendem Gerät vom Oberwasser her durchgeführt. Daneben wird regelmäßig aufkommender Bewuchs (Bild 22 b)) auf dem Wehrrücken beseitigt.
Der ABz Wetzlar des WSA Koblenz, der für den Unterhalt von elf Streichwehren an der Lahn verantwortlich ist, berichtet von einem ähnlich geringen Unterhaltungsaufwand. Auffälligkeiten werden bei den jährlichen Besichtigungen protokolliert, bei denen der Zustand von Wehrkrone, Wehrrücken, Wehrfuß im Unterwasser sowie des Kolkbetts beurteilt werden. Dabei zeigte sich, dass Schäden am häufigsten im Bereich des Kolkbettes zu finden sind. Hingegen kann die Wehrkrone bei einem guten Verbund der Kronensteine als nahezu wartungsfrei eingestuft werden. Typische Schäden auf dem Wehrrücken sind beispielsweise gelöste Bruchsteine oder Wasseraustritte durch die Fugen der Bruchsteine, die zum nächstmöglichen Zeitpunkt behoben werden.
Beim Streichwehr in Hameln an der Weser wird beispielsweise das Oberwasser durch Leerschleusungen um wenige Dezimeter abgesenkt, damit die Wehrkrone für die Bauwerksprüfung trocken begangen und besichtigt werden kann.
Im Rahmen einer Begutachtung eines weiteren Streichwehres an der Lahn, dem Hausertorwehr in Wetzlar, wurde festgestellt, dass für das Streichwehr kein akuter Handlungsbedarf besteht (BAW, 2010). Die nachträgliche abschnittsweise „Betonsanierung“ der 1950er-Jahre wurde aufgrund der Hohlstellen- und Rissbildung sowie sonstiger Oberflächenschäden als nicht gelungen angesehen und als mittelfristiger Instandsetzungsvorschlag wurde die Entfernung des Betonüberzugs vorgeschlagen. Es wurde weiterhin festgestellt, dass die Kolksicherung am Wehrfuß in Form einer Steinschüttung noch intakt ist und keinerlei Anzeichen von Ausspülungen oder Kolkbildung festzustellen war. Die nachträglich eingeschlagene Pfahlreihe am Wehrfuß war ebenfalls noch vorhanden und entsprechend ihres Alters in einem akzeptablen Zustand. Für die Unterhaltung wurde empfohlen, zwei Mal pro Jahr das Geschwemmsel zu beseitigen, die Büsche an der Wehrkrone zu stutzen und das Schilf zu mähen. Der Bewuchs (Wurzelwerk) auf dem Wehrkörper wird als eine vorteilhafte Verklammerung gesehen und sollte nicht entfernt, sondern nur gestutzt, werden.
Ein weiteres Beispiel für eine Instandsetzung ist ein Streichwehr der Energie Baden-Württemberg AG in Bad Rotenfels an der Murg. Im Jahr 2012 wurden hier Schäden in Teilbereichen des Deckwerks festgestellt, das daraufhin abschnittsweise instandgesetzt wurde. Neben einem verklammerten Deckwerk umfasste die Sanierung einen Betonsporn am Fuß des Deckwerks, um rückschreitende Erosion zu verhindern (Bild 23).
Bild 24: Streichwehr in Bad Rotenfels an der Murg: Abschnittsweise Instandsetzung des Deckwerks vor (links) und nach der Sanierung (rechts) (Quelle: EnBW, 2015)
Konstruktive Gestaltung und Herstellung
Vorschlag aus der WSV
Streichwehre können im Prinzip sehr einfach hergestellt werden, allerdings kann die Wasserhaltung während der Bauzeit sehr aufwändig und eine Baugrube aufgrund ihrer Länge sehr teuer sein. Das NBA Hannover hat daher mögliche Varianten entwickelt mit dem Ziel, auf eine trockene Baugrube im Gewässer zu verzichten und möglichst alle Arbeiten vom schwimmenden Gerät aus durchführen zu können (NBA Hannover, 2015).
Angenommen wurde dabei ein Streichwehr mit einer Höhe von 2,0 m, einer Überfalllänge von 58,7 m und dem in Bild 25 dargestellten Querschnitt. Das Wehr besteht im Prinzip aus zwei Spundwänden, einem Kopfbalken und verklammerten Wasserbausteinen als Wehrkörper. Die Spundwände dienen zum einen als Dichtwand und zum anderen als Schutz gegen rückschreitende Erosion am Ende des Wehrrückens. Die erste Spundwand ist unverankert, hat eine Länge von etwa 7,0 m und weist einen Kopfbalken aus Betonfertigteilen auf. Durch diesen Kopfbalken erhält die Wehrschwelle einen glatten gleichmäßigen Abschluss. Die hintere Spundwand ist ebenfalls unverankert und etwa 3,4 m lang. Vor der vorderen Spundwand und zwischen den Spundwänden werden Wasserbausteine geschüttet, die anschließend mit Beton verklammert werden. Alternativ sind hier auch größere Wasserbausteine ohne Verklammerung denkbar, für die allerdings mit höheren Kosten zu rechnen ist. Unter den Wasserbausteinen ist eine Filter- bzw. Trennlage aus Geokunststoff verlegt. Alternativ wäre hierbei auch ein Kornfilter möglich.
Wird das Streichwehr vor der bestehende Wehranlage errichtet, können die Arbeiten von einem Stelzenponton aus durchgeführt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Bauausführung im Sommer zu einer abflussarmen Zeit durchgeführt wird und der Abfluss während der Bauzeit über ein Kraftwerk, ein Umleitungsgerinne, eine eventuell vorhandene Fischabstiegsanlage oder eine eventuell vorhandene parallele Schleuse erfolgt. Es ist auch denkbar, die landseitigen Bereiche zunächst offen zu lassen und sie dann von Land aus zu schließen. Möglich erscheint es auch, einen Teil der Spundbohlen zu durchtrennen und den oberen Teil nach dem Rammen wieder zu ziehen und ihn erst am Ende der Baumaßnahme endgültig zu setzen. Kosten für zusätzliche Maßnahmen zur Ableitung des Wassers während der Bauzeit sind nicht berücksichtigt.
Die geschätzte Bauzeit beträgt etwa zwölf Wochen, sodass die Auftretenswahrscheinlichkeit für ein Hochwasser gering ist, wenn der Bau beispielsweise im Sommerhalbjahr erfolgt. Selbst für den Fall eines Auftretens ist das verbleibende Schadenspotenzial nach dem Räumen der Baustelle vergleichsweise gering. Die Kosten für den Neubau eines Streichwehres sind dabei stark vom Untergrund abhängig. Den Berechnungen des NBA Hannover zufolge liegen die Kosten für oben genannte Konfiguration bei sandigen Böden im Bereich von 14.500 € pro laufenden Meter und im Falle eines felsigen Untergrundes bei 19.000 € pro laufenden Meter. Die Kostenschätzungen beruhen dabei auf vergleichbaren Projekten in der WSV. Weitere Details und Varianten können NBA Hannover (2015) entnommen werden.
Bild 25: Aufbau eines Streichwehres im Querschnitt nach NBA Hannover
Beispiel Ersatzneubau des Höchster Wehrs an der Nidda
Eines der wenigen Projekte aus jüngerer Zeit, bei dem ein bewegliches durch ein festes Wehr ersetzt wurde, ist das Höchster Wehr an der Nidda, das im Jahr 2012 durch ein 75 m langes, schräg angeströmtes Streichwehr ersetzt wurde. Hierbei wurde die Überfallschwelle des Streichwehres durch eine Spundwand fixiert und der Wehrrücken mit einer Steinschüttung befestigt. Ein naturnah gestaltetes Umgehungsgerinne mit einer Länge von 150 m, einer Breite von 10 m und einer Neigung von 1:66 dient zur Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit (siehe Hinweise zur ökologischen Durchgängigkeit).
Bild 26: Blick vom Unterwasser auf das Umgehungsgerinne und das fertige Streichwehr (Quelle: Peter Seus)
Hinweise zur ökologischen Durchgängigkeit
Querbauwerke weisen aufgrund ihrer hydraulischen Kontrollfunktion keine bzw. eine stark eingeschränkte ökologische Durchgängigkeit in Hinblick auf den Fischaufstieg auf. Deshalb sollten Querbauwerke bei einem Umbau oder Ersatzneubau ökologisch durchgängiger gestaltet werden, um die festgelegten Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Da Streichwehre bei kleinen Abflüssen zu geringe Wassertiefen und zu hohe Fließgeschwindigkeiten aufweisen, wird in den meisten Fällen auf eine Fischauf- bzw. Fischabstiegsanlage nicht verzichtet werden können. Im Folgenden werden streichwehr-spezifische Hinweise zur Erreichung der ökologischen Durchgängigkeit gegeben. Das Thema Durchgängigkeit kann an dieser Stelle nur stark verkürzt dargestellt werden. Eine tiefergehende und standortspezifische Analyse kann im Einzelfall zu abweichenden Bewertungsergebnissen führen.
Um den Auf- und Abstieg für Fische zu erleichtern, gibt das DWA-Regelwerk (2014) einige Empfehlungen zur Anordnung einer Fischaufstiegsanlage an einer Staustufe.
Empfehlungen zur Anordnung einer Fischaufstiegsanlage an einem Streichwehr
- Eine Fischaufstiegsanlage sollte generell am Prallhang eines Fließgewässers positioniert werden, da Fische in oder entlang der Hauptströmungsrichtung wandern (Bild 27, links).
- Die Fischaufstiegsanlage sollte stets bündig mit der bestehenden Wehranlage abschließen, um die Ausbildung einer Sackgasse und dem damit verbundenen Ansammeln von aufstiegswilligen Fischen vor dem Fischpass zu verhindern.
- Bei einem schräg überströmten Wehr ist die Fischaufstiegsanlage im spitzen Winkel zwischen Wehr und Ufer, vom Unterwasser her gesehen, anzuordnen (Bild 27, Mitte).
- Bei festen Wehren mit flachem Wehrrücken kann eine Verschneidung zwischen der Fischrampe und dem festen Wehr angeordnet werden, die zudem eine Durchgängigkeit auf größerer Breite ermöglicht (Bild 27, rechts).
Bild 27: Anordnung einer Fischaufstiegsanlage an einer Staustufe nach DWA-Regelwerk (2014)
Zu den dargestellten Fischausstiegsanlagen ist anzumerken, dass naturnah gestaltete Fischaufstiegsanlagen, wie Umgehungsgerinne, Sohlenrampen und -gleiten (siehe Gestaltungskriterien und hydraulische Bemessungsgrundlagen für Sohlenrampen und senkrecht angeströmte Schwellen) sowie Fischrampen im Allgemeinen zu bevorzugen sind, da sie sich in ihrer Bauart an den natürlichen Gegebenheiten orientieren, neue Fließgewässerbiotope schaffen und eine gute landschaftliche Einbindung ermöglichen. Streichwehre lassen sich hier je nach Platzangebot idealerweise mit einem Umgehungsgerinne oder einer Fischrampe kombinieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Ersatzneubau des Höchster Wehrs an der Nidda (Beispiel Ersatzneubau des Höchster Wehrs an der Nidda).
Schlussfolgerung
Aufgrund ihres geringen Unterhaltungsaufwandes sind Streichwehre eine mögliche Alternative beim Ersatzneubau beweglicher Wehre im Nebennetz der Bundeswasserstraßen, um den Unterhaltungs- und Betriebsaufwand zu reduzieren. Im vorliegenden ersten Teilbericht werden die hydraulischen Grundlagen zu Streichwehren zusammengefasst und Hinweise zum Querschnitt und zur Anordnung im Gewässer gegeben. Dem planenden Ingenieur werden Formeln und Beiwerte zur Berechnung des vollkommenen und unvollkommenen Überfalls zur Verfügung gestellt. Des Weiteren werden Hinweise zur Herstellung, zur Unterhaltung und zur ökologischen Durchgängigkeit gegeben.
Der Abfluss über ein Streichwehr ist nahezu proportional zur Länge der Überfallkrone. Daher weisen Streichwehre eine höhere Leistungsfähigkeit als senkrecht angeströmte feste Wehre auf, sodass sich bei Abflussschwankungen geringere Schwankungen im Oberwasser ergeben. Zur Ermittlung der Abflussmenge über ein Streichwehr finden sich in der Literatur mehrere Berechnungsformeln, die erweiterte Überfallformel nach Poleni hat sich jedoch als die praktikabelste herausgestellt. Die Lage im Gewässer wird maßgeblich durch die örtlichen Randbedingungen einer Staustufe bestimmt. Streichwehre kommen hauptsächlich an mehrachsigen Staustufen als Entlastungsbauwerk in den Altarm in Betracht als sog. gerade Streichwehre. Die Anströmung erfolgt hier parallel zur Überfallkrone, während der Anströmwinkel bei schiefen Streichwehren zwischen 0° und 90° liegt, typischerweise bei etwa 30°. Bei einachsigen Staustufen sollte sich die Linienführung am Kraftwerk orientieren. Durch das Streichwehr wird der Fließquerschnitt stetig verjüngt, sodass die Strömung kontinuierlich beschleunigt und eine gute Anströmung am Turbineneinlauf erzielt wird. Der dachförmige Querschnitt ist die am häufigsten vorkommende Geometrie und hat den hydraulischen Vorteil eines breitkronigen Wehres, bei dem sich der Rückstaueinfluss später bemerkbar macht als beispielsweise bei scharfkantigen Wehren. Weiterhin ist der Querschnitt einfach und kostengünstig herzustellen, wie eine Studie des NBA Hannover zeigt. Anhand der Ergebnisse von Modelluntersuchungen wird gezeigt, dass der Anströmwinkel nur einen untergeordneten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat. Aus diesem Grund wird empfohlen bei der hydraulischen Bemessung die volle Überfalllänge anzusetzen. Im Vergleich zu anderen festen Wehrtypen verhält sich ein Streichwehr mit dachförmigem Querschnitt im Hinblick auf den Rückstaueinfluss wie ein breitkroniges Wehr und reagiert weniger stark auf den steigenden Unterwasserstand als beispielsweise scharfkantige Wehre.
Streichwehre können aber aufgrund des großen Platzbedarfs und der örtlichen Randbedingungen u.U. nicht an jedem Standort realisiert werden. Mit einer gekrümmten oder gefalteten Überfallkrone kann hier eine höhere hydraulische Leistungsfähigkeit bei gleicher lichter Weite erzielt werden. Hier stellen gefaltete Wehre, wie Labyrinth- oder Piano-Key-Wehre, eine ansprechende Option dar. Auf diesen vergleichsweise neuen Wehrtyp wird in Gestaltungskriterien und hydraulische Bemessungsgrundlagen für Labyrinth-Wehre und Piano-Key-Wehre eingegangen. An Standorten mit geringen Fallhöhen oder bei Stauhaltungen, deren Stau teilweise oder vollständig gelegt werden kann, stellen Sohlenrampen eine Alternative dar, um den verbleibenden Höhenunterschied im Verlauf des Gewässers zu überwinden (Gestaltungskriterien und hydraulische Bemessungsgrundlagen für Sohlenrampen und senkrecht angeströmte Schwellen).
Literatur
- Aichel, O.G. (1910): Experimentelle Untersuchungen über den Abfluß des Wassers bei vollkommenen schiefen Ueberfallwehren, Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, s.l (Mitteilungen über Forschungsarbeiten auf dem Gebiete des Ingenieurwesens, insbesondere aus den Laboratorien der technischen Hochschulen, 80).
- Lüger, O. (1910): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart / Leipzig (8).
- Naudascher, E. (1987): Hydraulik der Gerinne und Gerinnebauwerke. 2. Aufl., Springer-Verlag, Wien.
- Schmidt, M. (1954): Zur Frage des Abflusses über Streichwehre. Eine kritische Betrachtung der bekann-testen Berechnungsverfahren und Versuche im Zusammenhang mit eigenen Versuchen. Technische Universität Charlottenburg, Berlin (41).
- Forschungsanstalt für Schifffahrt, Wasser- und Grundbau (1963): Ausführlicher Abschlußbericht zur Forschungs-/Entwicklungsarbeit. Die Untersuchung der Abhängigkeit der Streichwehrlänge von der Flußbreite und die Messung der Wasserspiegelabsenkung und der Querströmung, Berlin.
- Hager, W. H. (1987): Lateral Outflow Over Side Weirs. In: J. Hydraul. Eng. (Journal of Hydraulic Engineering), 113, 4, S. 491–504.
- May, R. W. P. (2003): Hydraulic design of side weirs, Thomas Telford, London.
- Schmidt, M. (1957): Gerinnehydraulik, Wiesbaden Bauverlag.
- BAW (2010): Begutachtung des oberen festen Wehres Wetzlar (Hausertorwehr) an der oberen Lahn (unveröffentlicht), Karlsruhe.
- NBA Hannover (2015): Bau von "Festen Wehren". Bericht (unveröffentlicht).
- DWA-Regelwerk (2014): Merkblatt DWA-M 509. Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbare Bauwerke - Gestaltung, Bemessung, Qualitätssicherung, Hennef.
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