Gestaltungskriterien und hydraulische Bemessungsgrundlagen für Streichwehre
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Einleitung
Geschichtlicher Hintergrund
Streichwehre werden bereits seit dem Mittelalter genutzt, um Gewässer aufzustauen und die daraus resultierende Fallhöhe beispielsweise zum Betrieb einer Mühle zu nutzen. Nach Lüger (1910) hat die längere Krone beim vollkommenen Überfall eine geringere Überfallhöhe zur Folge, woraus sich zwei Vorteile ergeben: Die hydraulische Belastung auf den Wehrrücken ist geringer und die Schwankungen des Oberwasserspiegels kleiner, wenn der Ableitungskanal nicht mehr die ganze Abflussmenge aufnehmen kann oder darf, um z.B. Ausuferungen zu vermeiden. Im 19. Jahrhundert wurden die Wasserräder durch leistungsfähigere Turbinen ersetzt. Die ersten beweglichen Stahlverschlüsse erlaubten größere Stauhöhen und gleichzeitig eine vollständige Freigabe des Abflussquerschnittes bei Hochwasser. Zum Vergleich beweglicher und fester Wehre stellte bereits Aichel (1910) fest: „Die beweglichen Wehre erfordern indessen eine ständige Überwachung, verursachen oft hohe Bau- und Ausbesserungskosten und sind nicht besonders widerstandsfähig. Ist daher eine so sorgfältige Regelung des Oberwassers nicht nötig und sprechen nicht andere gewichtige Gründe dagegen, so wird man zur Anlage eines durchweg festen Wehres schreiten, bei dem ein übermäßiger Stau bei Abgang des Hochwassers dadurch vermieden wird, dass man eine größere für den Abfluss des Wassers wirksame Länge wählt. Man erzielt diese Vermehrung der Wehrlänge durch Wahl eines entsprechenden Grundrisses“. In Deutschland gibt es zahlreiche Streichwehre, die ihre Aufgabe bis heute erfüllen. Bild 1 zeigt beispielhaft das aus dem 11. Jahrhundert stammende obere Streichwehr in Wetzlar an der Lahn. Geographisch befindet sich das Streichwehr westlich von Gießen bei Lahn-km 11,500. Das sogenannte Hausertorwehr wurde in einem flachen Winkel von etwa 25° zur Hauptströmungsrichtung angeordnet und besitzt eine Gesamtlänge von 290 m. Der Wehrkörper besteht aus einer Steinschüttung, zwei Holzpfahlreihen, die zur Stabilisierung der Wehrkrone und als Fußsicherung dienen, sowie einem Deckwerk aus gepflasterten Steinen. Der Querschnitt weist im Oberwasser eine Böschungsneigung von etwa 1:2 und im Unterwasser eine Neigung von etwa 1:4 auf.
Bild 1: Hausertorwehr in Wetzlar an der Lahn (Bj. 1050): Draufsicht (links) und Querschnitt (rechts) des Streichwehrs (Quelle: WSA Koblenz, Grunddaten zur Wehranlage oberes Wehr Wetzlar)
Definition
Streichwehre stellen neben Schachtüberfällen und Heberwehren eine Sonderform der festen Wehre dar und werden unter anderem als Entnahme- oder Entlastungsbauwerke oder zur Hochwasserentlastung eingesetzt. In der Regel ist die Überfallkante parallel oder nahezu parallel zur Hauptströmungsrichtung in der Gerinneberandung angeordnet, über die ein Teil des Gesamtzuflusses abgeschlagen wird (siehe Bilder in Tabelle 1). In der Literatur wird zwischen geraden und schiefen Streichwehren unterschieden: Bei den geraden Streichwehren ist die Breite des Gewässers vor und unmittelbar nach dem Streichwehr konstant, bei den schiefen Streichwehren nimmt die Breite in Fließrichtung ab (Schmidt, 1954). In der Praxis ist das oft schwer zu unterscheiden. Bild 2 zeigt Beispiele für ein gerades und für ein schiefes Streichwehr. Naudascher (1987) bezeichnet den Sonderfall, dass der Gesamtzufluss über das Streichwehr abgeführt wird, als paralleles Wehr und würde übertragen auf eine Wasserstraße einem Streichwehr mit anschließender Schleuse entsprechen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird aber im Folgenden auf diesen Begriff verzichtet.
Tabelle 1: Definitionen zur Lage eines Streichwehres
Gerades Streichwehr | Schiefes Streichwehr |
---|---|
Parallele Anströmung | Schräge Anströmung |
Q = Qo - Qu | Q = Qo - Qu |
α = 0° | 0° < α < 90° |
Bild 2: Beispiele für ein gerades Streichwehr (links: Kleines Wehr Böllberg an der Saale) und für ein schiefes Streichwehr (rechts: Villmar an der Lahn)
Anordnung im Gewässer und konstruktiver Aufbau
An den staugeregelten Flüssen in Deutschland gibt es zahlreiche Streichwehre, die sich in Lage, Querschnitt und Aufbau unterscheiden. Bild 3 (links) zeigt beispielsweise das 210 m lange und nahezu parallel zur Fließrichtung angeordnete Streichwehr in Würzburg. Der Wehrrücken besteht in wesentlichen Teilen aus einer Mauer aus Stahlbeton und Steinen sowie einer Steinschüttung aus Wasserbausteinen im Unterwasser, die als Kolkschutz dient. Das Streichwehr in Weilburg (Bild 3, Mitte) besteht im Bereich der Wehrkrone aus geklammerten Kronensteinen und einem Wehrrücken aus Bruchsteinen, während das Streichwehr in Gochsen (Bild 3, rechts) einen Wehrrücken aus Stahlbeton besitzt.
Bild 3: Streichwehre in Würzburg am Main (links), Weilburg an der Lahn (Mitte) und Gochsen am Kocher (rechts)
Staustufentypen
Nach DIN 19700 zählen Staustufen neben Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken zu den Stauanlagen und bestehen aus einem Wehr mit Stauhaltungsdämmen, Kraftwerk, Schiffsschleuse und der Stauhaltung selbst. Zur besseren Verständlichkeit bei der Diskussion über Standortkriterien für Streichwehre ist es hilfreich, zwischen einachsigen und mehrachsigen Staustufen zu unterscheiden.
Bild 4: Systemskizzen einer einachsigen (links) und einer mehrachsigen (rechts) Staustufe
Einachsig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Wehr, Schleuse und Kraftwerk in einer Achse angeordnet sind, baulich aneinander angrenzen und sich in einem Flussarm befinden (Bild 4, links), während bei einer mehrachsigen Staustufe das Kraftwerk oder die Schleuse räumlich vom Wehr abgesetzt ist. Bei mehrachsigen Anlagen ist häufig die sogenannte Schlingenlösung zu finden, bei der der Schifffahrtsweg abwechselnd im alten Gewässerbett und in einem Kanal verläuft, der die Schlinge durchsticht (Bild 4, rechts). Die Schleuse befindet sich dann im Durchstich, während das Kraftwerk neben der Schleuse oder dem Wehr angeordnet ist. In der Praxis finden sich auch Mischformen oder Kombinationen von ein- und mehrachsigen Staustufen, die aber eher die Ausnahme bilden.
Analyse bestehender Anlagen
Obwohl Streichwehre mit zu den ältesten Wehrtypen zählen, wurden in den vergangenen Jahren sehr wenige Anlagen gebaut. Daher finden sich in der einschlägigen Literatur entsprechend wenige Empfehlungen zur Anordnung und zur Querschnittsgestaltung. Aus diesem Grund wurde eine Bestandsaufnahme vorhandener Anlagen durchgeführt. Im Zustän-digkeitsbereich der Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter (WSÄ) Koblenz, Magdeburg, Hannoversch Münden und Schweinfurt gibt es annähernd 50 Streichwehre, die eine gute Basis für eine Analyse von Streichwehren in Querschnitt, Lage und Aufbau darstellen.
Mit Hilfe von Bestandsplänen und technischen Kenndaten wurden die Fallhöhe, der Anströmwinkel sowie die Böschungsneigungen im Ober- und Unterwasser ausgewertet. Hier zeigte sich, dass die Streichwehre eine mittlere Fallhöhe von etwa 2,0 m aufweisen. Das Streichwehr mit der größten Fallhöhe von etwa 3,6 m befindet sich in Alsleben an der Saale. Die mittlere Böschungsneigung im Oberwasser beträgt etwa 1:2,5 und im Unterwasser 1:4,0. Häufig befindet sich am Ende des Wehrrückens eine negative Stufe von etwa 0,5 m.
Anordnung im Gewässer
Überlegungen zur Anordnung eines Streichwehres beim Ersatzneubau
Streichwehre bei einachsigen Staustufen
Streichwehre bei mehrachsigen Staustufen
Konstruktive Gestaltung
Querschnitte
Deckwerkstypen
Hydraulische Berechnung
Formeln zur Berechnung der hydraulischen Leistungsfähigkeit
Einfluss der Querschnittsform
EInfluss des Anströmwinkels
Einfluss der Rauheit bei vollkommenem Überfall
Einfluss des Rückstaus
Anforderungen und Erfahrungen bei Unterhaltung und Instandsetzung
Konstruktive Gestaltung und Herstellung
Vorschlag aus der WSV
Beispiel Ersatzneubau des Höchster Wehrs an der Nidda
Hinweise zur ökologischen Durchgängigkeit
Schlussfolgerung
Literatur
- Aichel, O.G. (1910): Experimentelle Untersuchungen über den Abfluß des Wassers bei vollkommenen schiefen Ueberfallwehren, Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, s.l (Mitteilungen über Forschungsarbeiten auf dem Gebiete des Inge-nieurwesens, insbesondere aus den Laboratorien der technischen Hochschulen, 80).
- Lüger, O. (1910): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart / Leipzig (8).
- Naudascher, E. (1987): Hydraulik der Gerinne und Gerinnebauwerke. 2. Aufl., Springer-Verlag, Wien.
- Schmidt, M. (1954): Zur Frage des Abflusses über Streichwehre. Eine kritische Be-trachtung der bekann-testen Berechnungsverfahren und Versuche im Zusammen-hang mit eigenen Versuchen. Techni-sche Universität Charlottenburg, Berlin (41).
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