Grundlegende Aspekte einer Berechnung von Kennwerten: Unterschied zwischen den Versionen
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Um zu einem tieferen '''Verständnis natürlicher Vorgänge''' zu gelangen genügt es nicht, diese nur zu beobachten. Man muss sich vielmehr zunächst objektive Daten über sie verschaffen, welche anschließend im Hinblick auf charakteristische Merkmale analysiert werden können. | Um zu einem tieferen '''Verständnis natürlicher Vorgänge''' zu gelangen genügt es nicht, diese nur zu beobachten. Man muss sich vielmehr zunächst objektive Daten über sie verschaffen, welche anschließend im Hinblick auf charakteristische Merkmale analysiert werden können. | ||
Version vom 24. Juni 2010, 09:26 Uhr
Um zu einem tieferen Verständnis natürlicher Vorgänge zu gelangen genügt es nicht, diese nur zu beobachten. Man muss sich vielmehr zunächst objektive Daten über sie verschaffen, welche anschließend im Hinblick auf charakteristische Merkmale analysiert werden können.
Anders ausgedrückt: Das Steigen und Fallen des Wassers am Ufer eines Ästuars zu beobachten ist vielleicht angenehm, interessant oder gar erholsam. Ein tieferes Verständnis der Beobachtungen wird nur möglich sein, wenn die zeitliche Veränderung der Wasserspiegellage (Zeitreihe des Wasserstands) objektiv erfasst (Zahlenwerte zur jeweiligen Position des Wasserspiegels) und anschließend einer Analyse mit Berechnung zuvor eindeutig definierter charakteristischer Merkmale (z.B. Periode, höchster und niedrigster Wasserstand, etc.) unterzogen wird. Liegen über diese charakteristischen Größen Zahlen vor, so können in einfacher Weise die an einem festen Ort (von Tag zu Tag, Jahr zu Jahr, usw.) ablaufenden Veränderungen quantifiziert werden. Darüber hinaus sind Vergleiche mit anderen Orten (weltweit) möglich. Unterschiedliches Systemverhalten wird dadurch präzise quantifizierbar.
Bei der BAW steht ein umfangreicher Werkzeugkasten zur Durchführung von Analysen zur Verfügung (siehe Analyse der Berechnungsergebnisse). Damit lassen sich nicht nur für einen einzigen oder wenige Orte entlang eines Ästuars charakteristische Größen ermitteln, sondern flächendeckend für das gesamte Ästuar, bei drei-dimensionalen Daten sogar differenziert über die Wassertiefe. Die vorhandenen Analysemethoden stellen eine Vielzahl objektiver Daten für charakteristische Kennzahlen über in der Natur beobachtbare Größen, wie Wasserstand, Strömungsgeschwindigkeit, Salzgehalt usw. bereit. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu einem verbesserten Verständnis der Naturprozesse.
Mit der flächendeckenden Berechnung charakteristischer Kenngrößen (Kennwerte) sollen folgende Ziele erreicht werden:
- Verkleinerung der zur Beschreibung des Systemverhaltens erforderlichen Datenmenge, gegenüber einer Situation mit ausschließlicher Verwendung synoptischer Datensätze;
- quantitative Beschreibung des Systemverhaltens an Hand (möglichst) weniger Kenngrößen, z.B. Tidehochwasser, Tideniedrigwasser und Tidehub;
- objektive Darstellung spezieller Merkmale des Systemverhaltens, z.B. Asymmetrie der Tidekurve zwischen Ebbe und Flut;
- herausarbeiten der physikalischen Ursachen von in synoptischen Datensätzen zu Tage tretenden Phänomen, z.B. barokline Zirkulation;
- objektive Darstellung unterschiedlichen Systemverhaltens durch Differenzen der das System charakterisierenden (Kenn-) Größen, z.B. Veränderung des Tidehubs als Reaktion auf eine veränderte Bathymetrie.
In den nachfolgenden Abschnitten werden einige für die praktische Berechnung von Kennwerten relevante Aspekte detaillierter diskutiert.
Eingangsdaten
Ausgangspunkt einer flächendeckenden Berechnung von Kennwerten sind in der Regel synoptische Datensätze. Jeder synoptische Datensatz enthält für einen bestimmten Zeitpunkt die räumliche Verteilung der das natürliche System kennzeichnenen Größen (Systemzustand). Für ein Ästuar zählen zum Beispiel der Wasserstand und die Strömungsgeschwindigkeit zu den das System kennzeichnenden Größen.
Synoptische Datensätze werden für Ästuare heute typischer Weise mit Hilfe verschiedener mathematischer Verfahren erzeugt, mit denen eine Simulation der in der Natur ablaufenden Prozesse möglich ist. Da diese Methoden auf grundlegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten, wie z.B. der Massenerhaltung, beruhen, sind die durch Simulation erzeugten synoptischen Daten konsistent mit den zu Grunde liegenden physikalischen Prinzipien. Letzteres kann mit Hilfe synoptischer Beobachtungen (Messungen in der Natur) in einem großen zusammenhängenden Gebiet mit der für die Analyse erforderlichen Genauigkeit praktisch nicht erreicht werden, auch wenn diese prinzipiell dafür geeignet wären. Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass die Basisdaten zur flächendeckenden Analyse durch Simulation bereitgestellt werden.
Durch Simulation erzeugte synoptische Daten liegen (räumlich) in der Regel nicht kontinuierlich, sondern nur an endlich vielen Punkten, auf dem regel- oder unregelmäßigen Berechnungsgitter des benutzten mathematischen Verfahrens vor. Die zeitliche Veränderung der Größen wird ebenfalls nicht kontinuierlich, sondern nur für endlich viele Zeitpunkte, in zumeist gleichen Zeitabständen, berechnet. Insgesamt bedeutet dies eine Diskretisierung von Raum und Zeit.
Graphische Darstellung einer Abfolge synoptischer Datensätze. Diese Darstellung ist auch als Encapsulated PostScript Datei erhältlich.
Die Daten stehen somit räumlich wie auch zeitlich nur an endlich vielen Punkten zur Verfügung. Den Zeitunterschied zwischen zwei aufeinander folgenden synoptischen Datensätzen, so wie sie von dem mathematischen Verfahren intern berechnet werden, bezeichnet man als (numerischen) Zeitschritt (z.B. eine Minute). Da normalerweise nicht alle berechneten synoptischen Datensätze in eine Datei geschrieben werden können (Größe der Datenmenge), beträgt der Ausgabezeitschritt zwischen zwei der nachfolgenden Analyse zur Verfügung stehenden synoptischen Datensätzen in der Regel ein ganzzahliges Vielfaches des numerischen Zeitschritts (z.B. alle zehn Minuten).
Sammelt man an allen Punkten des Berechnungsgitters die für diese Orte in regelmäßigen Zeitintervallen (Ausgabezeitschritt) vorhandenen synoptischen Daten auf, so ergeben sich daraus Zeitreihen der physikalischen Größen an allen Berechnungspunkten. Diese flächenhaft vorliegenden Zeitreihen sind die eigentlichen Eingangsdaten einer Berechnung von Kenngrößen.
Synoptische Datensätze nutzen
Betrachtet man einen einzelnen synoptischen Datensatz, so geht u.a. die räumliche Variation der jeweiligen physikalischen Größe hervor (Beispiel: räumliche Veränderung der Strömungsgeschwindigkeit in einem Abschnitt des Elbeästuars).
Reiht man die graphischen Darstellungen vieler synoptischer Datensätze zu einer Animation aneinander, so entsteht dabei zumeist ein sehr anschaulicher Eindruck der zeitlichen und räumlichen Veränderlichkeit der Prozesse (Beispiel: Variation des Salzgehalts im Tidezyklus in der Außenweser). Das animierte Geschehen hinterlässt beim Betrachter allerdings einen subjektiven Eindruck.
Berechnung der Kennwerte
Stehen für eine Berechnung von Kennwerten geeignete Eingangsdaten zur Verfügung, so werden diese üblicherweise aus den mit synoptischen Daten erzeugten Zeitreihen ermittelt. Bei den Zeitserien handelt es sich entweder um einzelne physikalische Größen, wie z.B.
- Windgeschwindigkeit nahe der Wasseroberfläche,
- Wasserspiegelauslenkung (Wasserstand),
- Wasserbedeckung (Gesamtwassertiefe),
- Strömungsgeschwindigkeit,
- Salzgehalt,
- Schwebstoffkonzentration,
- sohlnahe Geschiebefracht oder
- Lage der Gewässersohle (ungestörte Wassertiefe),
oder um Zeitserien, die abgeleiteten physikalischen Größen entsprechen, wie beispielsweise
- Durchfluß (aus Wasserbedeckung und Strömungsgeschwindigkeit) oder
- Salztransport (aus Wasserbedeckung, Strömungsgeschwindigkeit und Salzgehalt),
um nur einige wenige Kombinationen zu nennen.
Aus Zeitserien der vorgenannten physikalischen Größen können, an allen Punkten des Berechnungsgitters, durch Anwenden von in Computerprogrammen festgelegten Berechnungsvorschriften die jeweiligen Kennwerte berechnet werden. Dabei handelt es sich um
- Extremwerte (Maximum, Minimum), die
- Differenz zwischen Extremwerten (Amplitude, Variation), den
- Mittelwert oder das
- Integral
der Zeitserie einer physikalischen Größe. Nach Abschluß der Berechnung liegen diese Daten in dem gesamten Untersuchungsgebiet vor. Hierdurch wird die Beurteilung der räumlichen Veränderung einer kennzeichnenden Größe möglich (Beispiel: Salzgehaltsvariation in der Außenweser).
Der Umfang der Berechnungsergebnisse einer automatischen Berechnung von Kennwerten ist vom Charakter der zu analysierenden Zeitserien abhängig.
Handelt es sich um eine (annähernd) periodische Zeitserie, die eine Abfolge von wiederkehrenden Ereignissen (z.B. Tiden) enthält, so werden üblicherweise zunächst die Kennwerte für alle Einzelereignisse, also für jede Tide und/oder Tidephase (Ebbedauer, Flutdauer, Ebbestromdauer oder Flutstromdauer) ermittelt. Hierbei wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass an einzelnen Orten (z.B. auf den Wattflächen) gültige Daten nicht über den gesamten Zeitraum vorhanden sind, da diese nur zeitweise wasserbedeckt sind (Beispiele: Tidekennwerte des Wasserstandes, Tidekennwerte der Strömung, Tidekennwerte des Salzgehalts, Tidekennwerte des Geschiebetransports).
Graphische Darstellung zur Bestimmung von Kennwerten (hier Maxima) für regelmäßig wiederkehrende Ereignisse unter Berücksichtigung des Trockenfallens und Überflutens. Diese Darstellung ist auch als Encapsulated PostScript Datei erhältlich.
Im Anschluß an die Berechnung der Kennwerte für alle innerhalb des Analysezeitraums liegenden Ereignisse werden für diese noch das (absolute) Maximum, das (absolute) Minimum sowie der Mittelwert bestimmt.
Graphische Darstellung der typischerweise für eine (annähernd) periodische Zeitserie ermittelten Kennwerte. Die Kenngrößen erlauben eine Charakterisierung des Systemverhaltens sowohl bei allen einzelnen Ereignissen wie auch, im statistischen Sinne, für den gesamten Analysezeitraum. Diese Darstellung ist auch als Encapsulated PostScript Datei erhältlich.
Wird hingegen des Systemverhalten innerhalb des Analysezeitraums durch eine nicht periodische Zeitserie dargestellt, so werden ausschließlich solche Kennwerte ermittelt, die charakteristisch für den gesamten Analysezeitraum sind (Beispiel: Tideunabhängige Kennwerte des Wasserstands).
Liegen berechnete Kennwerte für verschiedene Systemzustände vor, so können daraus Differenzen des Systemverhaltens, etwa als Folge natürlicher oder künstlicher Veränderungen der Bathymetrie, in einfacher Weise abgeleitet werden. Zu den zwischen allen Kennwerten (Einzelereignis, Maximum, Minimum und Mittelwert) berechneten Differenzen treten weitere statistische Daten, wie die
- maximale Differenz (eines Einzelereignisses), die
- minimale Differenz (eines Einzelereignisses), sowie die
- Signifikanz für die Abweichung der Mittelwerte
hinzu. Dies ermöglicht eine detaillierte und objektive Beschreibung von Veränderungen. Hierbei ist anzumerken, dass z.B. die Differenz der Mittelwerte an einer Position nur dann berechnet wird, falls der Umfang der benutzten Stichproben, also die Anzahl der jeweils ermittelten Ereignisse, in den analysierten Zeitreihen übereinstimmen.
Graphische Darstellung der für einen Kennwert berechneten Differenzen, hier gezeigt am Beispiel der Maximumberechnung für eine Abfolge gleichartiger Ereignisse. Diese Darstellung ist auch als Encapsulated PostScript Datei erhältlich.
Genauigkeit der Berechnung
Wie unter Eingangsdaten erläutert, liegen die zu analysierenden Daten sowohl räumlich als auch zeitlich nicht kontinuierlich, sondern nur für eine endliche Anzahl von Zeit- und Raumpunkten vor (Diskretisierung). Sehr häufig hat man es bei der Analyse damit zu tun, dass sich ein Ereignis in einem Gebiet allmählich ausbreitet (z.B. Tidewelle im Ästuar); d.h., an benachbarten Positionen tritt dann beispielsweise das Maximum (also das Tidehochwasser) nicht zeitgleich, sondern mit einer gewissen Zeitdifferenz ein. Da aber die zur Analyse bereitgestellten Daten, an einer festen Position, eine diskrete Zeitreihe sind (der zeitliche Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Datenwerten entspricht bekanntermaßen dem Ausgabezeitschritt), so kommt in der Regel das tatsächliche Maximum nicht an beiden Orten zugleich in den Zeitreihendaten vor: es tritt ein Abtastfehler auf.
Graphische Darstellung zur Verbesserung der Extremwertberechnung durch Interpolation der an benachbarten Stützstellen einer äquidistanten Zeitreihe vorliegenden Werte. Diese Darstellung ist auch als Encapsulated PostScript Datei erhältlich.
Durch Interpolation können die nachteiligen Auswirkungen des mit der Abtastung verbundenen Fehlers abgemildert, nicht aber gänzlich beseitigt werden. Die bei der BAW zur automatischen Berechnung von Kennwerten eingesetzten Programme nutzen diese Methode zur Verbesserung der Genauigkeit. Dadurch können scheinbare, ausschließlich durch Abtastfehler ausgelöste Änderungen von Kennwerten weitestgehend aus den Analyseergebnissen eliminiert werden.
In Gebieten, die nur zeitweise wasserbedeckt sind (z.B. Wattgebiete), tritt als Folge des zuvor erwähnten Abtastfehlers als weiteres Problem die genaue Bestimmung der Zeitpunkte für Trockenfallen und Überfluten hinzu. Diese Termine werden z.B. zur Berechnung der Überflutungsdauer benötigt. Deren Berechnung ist daher mit einem Fehler in der Größe des Ausgabezeitschritts behaftet.
Graphische Darstellung zum Verbessern der Berechnung des genauen Zeitpunktes für das Trockenfallen und Überfluten durch Extrapolation des Wasserstands aus den an benachbarten Stützstellen einer äquidistanten Zeitreihe vorliegenden Werten. Diese Darstellung ist auch als Encapsulated PostScript Datei erhältlich.
Durch Extrapolation können die Zeitpunkte für Trockenfallen und Überfluten mit grösserer Genauigkeit berechnet werden. Daher wird diese Methode von den bei der BAW eingesetzten Analyseprogrammen genutzt. Der Einfluß der durch Abtastfehler verursachten Ungenauigkeiten auf die Analyseergebnisse wird hierdurch in seiner Bedeutung reduzuiert.
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